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So gemein können Kinder sein: Eene, meene muh – und raus bist du!

1.03.2021

Meine Schultüte war ein großer Hase. Meine Mutter hatte sie in Anlehnung an mein liebstes Kuscheltier, den Hasen Happy, selbst gebastelt und mit Leckereien und all den kleinen Dingen, die eine Erstklässlerin so brauchen kann, gefüllt. Ich war gespannt auf die Schule und stellte mir vor, was ich alles lernen würde: Schreiben, Lesen, Rechnen. Und ich war neugierig auf die anderen Kinder und auch sehr aufgeregt. Da ich einen anderen als den Kindergarten in unserem Dorf besucht hatte, kannte ich bisher nur zwei Mädchen aus der Nachbarschaft. Wir hatten oft miteinander gespielt und ich hielt sie für meine Freundinnen.


Der erste Schultag war sehr schön – nicht nur wegen der Schultüte. Alle Grundschüler aus den vier Klassen, ihre Lehrerinnen und der Direktor stellten sich auf der großen Treppe auf und begrüßten die Neuen mit einem Lied. Doch schon bald wurde mir klar, dass es hier nicht nur darum geht, das ABC und das Einmaleins zu lernen. Erfahrungen im Umgang miteinander – und zwar keineswegs nur angenehme – standen ganz oben auf dem nicht offiziellen Lehrplan.


Von Anfang an gehörte ich nicht wirklich dazu. Ich war nicht in denselben Kindergarten gegangen wie alle anderen, ich sprach nicht Bayerisch und war noch dazu evangelisch – ein „Saupreiss“ also. Dabei bin ich in Bayern geboren und in diesem Dorf aufgewachsen, aber meine Eltern sind halt keine gebürtigen Bayern. Auch meine Kleidung traf nicht den gängigen Geschmack: Ich hatte zum Beispiel eine bunte ‚Bommelmütze‘, die alle doof fanden. Trotzdem trug ich sie weiter und wurde dafür ausgelacht. Wie gern hätte ich dazu gehört, allerdings war mir damals schon klar: Nicht um jeden Preis!


Und so hielt ich so manche Gemeinheit und Gehässigkeit aus. Zum Beispiel eine fiese Zeichnung an der Tafel, die mich und den anderen Außenseiter, der als Sitzengebliebener neu zu uns gekommen war, nackt in eindeutiger Pose darstellte. Oder den Moment in der katholischen Kirche – wohin ich ja immer mitgehen musste, obwohl ich die Regeln nicht kannte – als jeder von uns dem scheidenden Pfarrer etwas sagen sollte und mir nur einfiel: „Vielen Dank, dass Sie uns immer so schöne Geschichten erzählt haben!“, worauf mich alle auslachten. – Nicht zu vergessen der Notendruck, den die strebsamen Mitschülerinnen bereits ab Beginn der dritten Klasse ausübten; schließlich war für den Übertritt aufs Gymnasium ein Schnitt von 2,3 nötig. Rechtschreibung war nicht meine Stärke und nur zu gern hielten sie mir ihre Null-Fehler-Diktate vor die Nase, während meine rot angestrichen waren…


Heute ist mir klar, dass diese Erfahrungen wichtig sind, um unsere Persönlichkeit und unsere Sozialkompetenz entwickeln zu können. Aber die Momente, in denen ich sie durchleben musste, waren nicht leicht. Ich habe jeden Abend geweint. Heute weiß ich, dass das Weinen ein wichtiges Ventil ist im Umgang mit den schmerzlichen Gefühlen. Sehr wichtig ist es in solchen Momenten auch, eine vertrauensvolle Bezugsperson zu haben und Ressourcen, die uns während der kritischen Phasen stärken. Ich hatte zum Glück beides. Mit „Ressourcen“ sind natürliche, hilfreiche Mittel gemeint, die uns Halt und Stärke geben: Für mich waren das damals meine Fantasie, mit deren Hilfe ich mir wunderbare Geschichten ausdachte, und starke Tiere, die an meiner Seite standen und mich beschützten, echte Tiere, die Ponys in der Nachbarschaft, Musik und Geschichten, die ich mir jederzeit anhören konnte. Ich durfte Reiten lernen und war regelmäßig im Stall, um die Pferde zu putzen und den Stall zu säubern. Auch in der Natur konnte ich Kraft schöpfen, im Garten und im Wald, wo ich oft allein oder mit meiner Familie und Freunden unterwegs war.

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